6
Apr
2023

FinDom – Financial Domination

Toxyd

Offensichtlich erlebt Financial Domination aktuell in vielen Internetportalen wie z.B. TicToc oder Twitter einen wahren „Hype“ und die Money-Mistresses schießen  – ähnlich den Osterglocken – nur so aus dem Boden. Da ich zudem vom „Y-Kollektiv“ (ein YouTube-Reportageformat) zu dieser Thematik als BDSM-Expertin  um ein kurzes Interview gebeten wurde, habe ich beschlossen, darüber mal ein paar Wörtchen niederzuschreiben.

Findom – Finanzielle Dominanz – wird als eine Art „Fetisch“ den Spielarten des BDSM untergeordnet, bei der es (theoretisch) um eine Machtübertragung durch Geldwert geht.

Oder anders ausgedrückt: der (fast immer!) devote männliche Part, zahlt Geld an eine (vermeintlich) dominante Frau, um die eigene Demut und Unterlegenheit zu bezeugen. Die (vermeintlich) dominante Frau wird dabei als Money-Mistress, Geldherrin, Moneydomme oder Geldlady bezeichnet – der devote männliche Part als Geldsklave, Zahlschwein, Cash-Slave, PayPig oder Zahldepp. Deutlich seltener gibt es zudem auch Cashmaster oder Geldherren, die aber ebenso i.d.R. von männlichen devoten Männern bezahlt werden – so gut wie nie von devoten Frauen.

FinDom – wie funktioniert das in der Praxis?

In der Praxis kann das sehr viele verschiedene Formen annehmen. Der größte Teil der Geldherrinnen propagiert eigene Unnahbarkeit kombiniert mit einem luxuriös-verschwenderischen Lebensstil und einem arrogant-geringschätzigen Verhalten gegenüber dem Geldsklaven durch Demütigung und Erniedrigung.

Der erste Kontakt zwischen Geldherrin und Geldsklave findet meist über das Internet statt und nicht selten beschränkt er sich auch darauf. Die Geldherrin steht via Chats, E-Mail oder Video-Konferenzen mit ihrem Geldsklaven in Kontakt und fordert ihn auf, regelmäßig oder einmalig einen bestimmten Betrag an sie zu überweisen oder via Cashbrief an sie zu senden. Das können aber ebenso gut Einkaufsgutscheine (Zalando, Amazon) oder andere Sachleistungen sein. Oder auch direkt über eigene Webseiten der Geldherrinnen, wo ganz klar ihre Wünsche aufgelistet sind – von der Gesichtscreme bis zum Auto.

Einige (wenige) der Geldherrin treffen sich auch außerhalb der virtuellen Welt mit ihren Geldsklaven z.B. für einen gemeinsamen Einkauf, bei dem natürlich der Geldsklave zahlt, zur persönlichen Übergabe des Geldes oder dem gemeinsamen Besuch des Geldautomaten (Cash and Go).

Ebenso kann es auch sein, dass der Geldsklave seiner Geldherrin den unbegrenzten Zutritt zu seinen Konten ermöglich, damit diese frei darüber verfügen kann. Zuweilen wird der Geldsklave bei dieser extremen Variante am Existenzminimum gehalten.

Eine Form von Gegenleistung oder erotisch-lustvolle Dienstleistung wie bei einer professionell tätigen Domina in einem BDSM-Studio gibt es bei der Geldsklaverei jedoch so gut wie gar nicht. Die einzig häufig sehr klare Gegenleistung der Geldherrin ist ihre propagierte Geringschätzung ihrem Geldsklaven gegenüber. Er wird beschimpft, als Looser oder dummes Zahlschwein tituliert, ausgelacht, verspottet und ganz bewusst degradierend und demütigend behandelt.

Und nun die mega Kurzform: es geht um finanzielle Ausbeutung von devoten Männern. Punkt.

Was für Männer tun sowas und warum?

Du denkst, nurreiche Männer mit dem nötigen „Spielgeld“ frönen der Geldsklaverei, weil es ihnen nicht weh tut? Weit gefehlt! Vom armen Studenten über den Normalverdiener bis hin zum vermögenden Privatier ist alles dabei.  Und nicht selten rutschen sie ab in einen Strudel aus suchtähnlichem Verhalten, aus dem sie selbst manchmal nur schwer aussteigen können, selbst dann nicht, wenn es ihnen mittlerweile schweren finanziellen Schaden zufügt.

Warum?

Da gibt es mehrere Erklärungsansätze und vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Als erstes ist generell festzuhalten, dass sich ausschließlich Männer im Bereich der Financial Domination bewegen (können), die Geld und Geldwerte als kraftvolle Kontrollinstanzen ansehen. Dabei ist das Geld immer nur die eigene Projektionsfläche für den Geldsklaven und steht für Erfolg, Sicherheit und vor allem Macht, die er an die Moneymistress überträgt. Der tatsächlich kausale Zusammenhang ist dabei mehr als fragwürdig – aber mindestens nicht schlüssig.

Denn ganz ehrlich: es ist kein Ausdruck von echt gefühlter und gelebter Hingabe an einen anderen Menschen, wenn ich ihm bzw. ihr mein Geld gebe. Das Geld dient dabei lediglich als „Krücke“ der Übertragung von scheinbarer Kontrolle oder gar tief empfundener Ergebenheit.   

Nicht selten sind Geldsklaven devote Männer mit einer großen Sehnsucht nach der lustvollen Führung durch eine dominante Frau. Und häufig steht auch der Wunsch im Vordergrund, als Sklave selbst erniedrigend behandelt zu werden, während die dominante Lady und ihre Herrschaft als Matriarchat verehrt wird. Hier kommt dann das Internet zum Einsatz, das  inzwischen eine riesige Welt mit nahezu unzähligen Möglichkeiten bietet: private Kontakt-/Dating/ Chatforen mit BDSM-Hintergrund, private und gewerbliche Veranstaltungen wie (BDSM-) Partys, BDSM-Messen, Schlosswochenenden, Pornseiten, professionelle BDSM-Studios mit all ihren Erlebnismöglichkeiten und vieles mehr.

Irgendwann „stolpert“ dann der devote Mann bei seiner Suche nach Erfüllung über eine Geldherrin. Und im ersten Moment erscheint das Ganze auch viel „harmloser“, als in der echten Realität. „Ich überweise einfach etwas Geld und meine Geldherrin demütigt mich, erfüllt meine devoten Fantasien und behandelt mich als ihren Sklaven. Und das ganze kann ich vom PC aus erleben/genießen – ohne echtes Hinknien, ohne echte Hingabe und ohne irgendetwas anderes real tun zu müssen.“

Das Blöde dabei ist, dass geschickte Geldherrinnen eine Art psychisch-emotionale Verbindung zu ihren Geldsklaven aufbauen, die ihre Lust an Devotion, Erniedrigung und dem Ausleben ihrer Fantasien fördern. Und als Mann und (devoter) Mensch möchte ich ja auch von meiner Herrin „gemocht“ werden – also überweise ich dann immer weiter und weiter und weiter. Hinzu kommt folgender Umstand: wenn ich mit meinen lustvollen Sehnsüchten und Fantasien in Kontakt komme, werden diese natürlich auch nicht schwächer, sondern stärker.

In der Literatur wird auch immer wieder angeführt, dass besonders Männer mit geringem Selbstwertgefühl zum Geldsklaven werden. Einfach deshalb, weil sie sich selbst insgeheim als Looser, erfolglos und/oder Verlierer wahrnehmen und dieser inneren Wahrnehmung über die Moneymistress Ausdruck, Gestalt und Stimme verleihen. Damit bin ich persönlich jetzt nur sehr bedingt einverstanden, denn ich denke, dass hier die Wahrheit ein paar Ebenen tiefer in der Seele liegt.

Festzuhalten ist jedoch, dass die ganze Geschichte der Financial Domination erst seit dem Internet aufgekommen ist – vorher gab es diesen sogenannten „Fetisch“ schlichtweg nicht. Hinzu kommt außerdem, dass es so gut wie keine devoten Frauen gibt, die diese angebliche Lust ausleben, obwohl ja es nun wirklich genug wundervoll devote Frauen gibt. Hier scheint also die Lust und der Genuss nicht wirklich in einer Devotion durch Geldübertragung zu liegen, nicht wahr? Vielmehr liegt sie in der verdrehten Wahrnehmung vieler Männer: Geld = Macht, Dominanz und Überlegenheit.

Meine persönliche Meinung & mein Fazit zu Financial Domination

In den letzten Jahren sind mir immer wieder mal devote Männer über den Weg gelaufen, die mal der Geldsklave einer Moneymistress waren. Den allersten Kontakt zu einem Geldsklaven hatte ich vor vielen Jahrzehnten, als sich in einer stillen Nacht herausstellte, dass mein damaliger WG-Mitbewohner und guter Freund dieser Art „Fetisch“ anheimgefallen war.

Und immer war es das gleiche Prozedere: ein devoter Mensch und Mann mit Sehnsucht nach dominanter weiblicher Führung im Herzen, vielleicht ein bisschen schüchtern, vielleicht beruflich und/oder zeitlich sehr eingespannt, vielleicht verheiratet und mit ganz geheimen BDSM-Fantasien und/oder vielleicht ein bisschen gehemmt in der Kontaktaufnahme zu Frauen generell.

Die Lust und der Rausch seiner Fantasien treibt ihn ziellos im Internet umher, bis er an eine Geldherrin gerät. Und er zahlt das erste Mal. Die Geldherrin demütigt ihn, beschimpft ihm und gibt ihm das Gefühl, ein Sklave zu sein. Ein völlig nutz- und wertloses Geldschwein, dessen einzige Lebensberechtigung darin besteht, ihr Matriarchat möglichst finanzkräftig zu bezeugen und damit vordergründig ihre Dominanz anzuerkennen (was ein devoter Mann ja sowieso schon tut…).

Aber: er fühlt sich als demütiger Sklave. Kein Wunder, denn er wird ja wirklich benutzt und ausgenutzt. Er zahlt also erneut. Und erneut.

Und irgendwann kommt die Ernüchterung, Angst, Ärger über sich selbst – nicht selten auch Wut auf die „ach so tolle herrschaftliche“ Herrin. Weil sich nämlich die Sehnsucht nach tief empfundener Hingabe nicht wirklich erfüllt – es ist nur Geld und es geht auch nur um Geld(-werte). Alles andere hat keine Bedeutung. Und dann kippt es komplett.

Oft ist dann aber auch schon eine Art Sucht entstanden, denn es ist ja immerhin auch das mindeste an Emotion da – nämlich ein demütiger, benutzter (ausgenutzter) Sklave seiner Moneymistress zu sein. Und dann rauschen diese Männer zwischen der Sucht nach diesem Gefühl, Selbstkontrolle, Verärgerung und Wut hin und her. Oft sehr hilflos. Und manchmal finanziell ruiniert.

End of Story.

Fazit

Ich halte gar nichts von finanzieller Ausbeutung von Menschen – ganz egal, auf welcher angeblichen Lust dies beruht. Das ist mein persönliches Prinzip der Weltanschauung und auch die Basis einer wertschätzenden Haltung anderen Menschen gegenüber.

Ich liebe und genieße es, mit allen Sinnen mit devoten Menschen zu spielen, ihre und meine Lust zu fühlen und BDSM zu (er-)leben. Ich möchte sie sehen, riechen, fühlen und schmecken. Und ich möchte auch ihre Lust und ihren Genuss an mir, als dominante Frau. Das Glänzen der Augen, wenn sie demütig knien und sei es nur, wenn sie mir eine Tasse Kaffee anreichen.

Selbst in einem professionellen BDSM-Studio bekommt ein Gast des Studios für sein Geld das volle Paket: nämlich seine Traumdomina live und in Farbe und eine Session nach seinen Lüsten und Fantasien – fühlbar! Die (ganz reale) Erlebnismöglichkeit unterscheidet sich also ganz klar von  Financial Domination.

Financial Domination halte ich bestenfalls für absolut unsinnig, denn Geld bring mir in keiner Weise echt gefühlte Devotion, erlebbare Hingabe und Lust. Es bringt nur Geld. Schlechtesten falls halte ich  Financial Domination für absolut gefährlich, weil sich schon viel zu viele Menschen für irgendwelche blöden Ischen, die sich dann Geldherrinnen nennen, kopfüber ruiniert oder sogar in Schulden gestürzt haben. Fehlgeleitet in ihrer emotionalen Sehnsucht und oft gefangen in persönlichen Bedingungen wie z.B. Schüchternheit.

Im Internet gibt es inzwischen sogar „How-do-do“ Webseiten und auch Bücher, die als Anleitung für jede gelangweilte Hausfrau oder luxusgeile Göre ohne finanzielle Mittel und ohne jegliche BDSM-Lust klar darlegen, wie sie sich selbst als Geldherrin „erschaffen“ und so richtig abkassieren können.

Es mag Ausnahmen geben – wie immer im Leben. Aber bisher sind mir keine Ausnahmen bekannt. Und bisher fällt mir auch immer noch kein Grund ein, warum ich dann einen Menschen für Geld ausbeuten sollte. Und das wird es auch nie.